Freitag, 17. August 2012

VERHALTENSAUFFÄLLIGE KINDER IN DER VOLKSSCHULE

Ein Plädoyer für frühzeitige systemische Intervention – und ein konkretes Angebot
  

Auffällige Kinder ecken an und sorgen für Unsicherheit in ihrem Umfeld. Eltern und Lehrpersonen geraten an ihre Grenzen und schaffen es oft nicht aus eigener Kraft, Konflikte zu lösen oder wenigstens zu entschärfen. Hier kann eine systemische Intervention hilfreich sein: Als aussenstehende Fachperson schaffe ich Distanz zum Problem, baue Brücken zwischen den Beteiligten und zeige Möglichkeiten zur gegenseitigen Entlastung und Unterstützung auf. Oft führen schon wenige Gesprächstermine zu einem sichtbaren Erfolg.



Die Ausgangssituation   kein Einzelfall

Carlos, der in Wirklichkeit anders heisst, besucht die zweite Klasse. Ostern sind vorbei, als die Lehrpersonen sich beim SPD melden, weil die Situation in der Klasse mit Carlos unerträglich sei. Störend und sehr ärgerlich sei grundsätzlich sein Arbeitsverhalten; es mache den Eindruck, als ob er in seinen eigenen Welten schwelgen würde, seine Impulse könne er nicht kontrollieren, er schlage andere Kinder, fege ihnen beim Vorbeigehen Sachen vom Pult usw. Auf Nachfrage, welche Interventionen funktioniert hätten, erzählen die Lehrpersonen, dass sie alles ausprobiert hätten. Sie beschreiben das Verhalten von Carlos als arrogant und bekunden grosse Schwierigkeiten, ihn als Person zu fassen.
  
In der Lehrerweiterbildung an der PHZ und bei NORI, wo ich seit längerem engagiert bin, stelle ich immer wieder fest, dass bei Lehrpersonen eine grosse Unsicherheit bezüglich dem eigenen Verhalten gegenüber auffälligen Kindern besteht. Im Schulalltag entstehen regelmässig Konfliktsituationen. Diese werden als sehr belastend wahrgenommen und beschäftigen die Lehrpersonen nachhaltig. Konflikte verletzen Lehrpersonen häufig persönlich. Sie fühlen sich nicht ernst genommen in ihrer Autorität. Viele Lehrpersonen haben hohe Ansprüche an ihre eigene Geduld und ihr Verständnis gegenüber Auffälligkeiten. Geduld reicht nicht aus, um den Schulalltag als Lehrperson „unversehrt“ zu überstehen. Bei allem Engagement bleibt häufig ein grosser Frust zurück.
Als Psychomotoriktherapeutin arbeite ich zunehmend mit Kindern, die im Schulalltag durch ihr Verhalten zu scheitern drohen. Es sind Kinder, welche Probleme haben im Umgang mit ihrer eigenen intensiven Gefühlswelt, die sich selber im Wege und sozial abseits stehen. Die Kinder fühlen sich nicht dazugehörig. Das ist ein grosser Leidensdruck für die Kinder selber und auch für deren Eltern. Die Psychomotorik, welche bei den Ressourcen und Stärken der Kinder ansetzt, kann einen sicheren Ort für sozial-emotionale Entwicklung anbieten. Die Kinder werden in ihrer Art erkannt und lernen, ihre Gefühle auszudrücken (über die Bewegung, das Spiel, beim Malen, Geschichten erfinden usw.). Ein zusätzlicher positiver Faktor ist, dass die Psychomotoriktherapie zeitweise auch in Kleingruppen stattfindet und die Kinder so Zugehörigkeit in der Gruppe erfahren können.

Es ist für mich seit Jahren eine Selbstverständlichkeit, dass ich die Eltern in meine Arbeit mit dem Kind einbeziehe. Stehen soziale Probleme während dem Schulalltag im Zentrum, können Eltern ihre Kinder durch dick und dünn verteidigen und eigene Probleme ausblenden. Oft erfahre ich erst mit der Zeit, dass auch die Eltern erhebliche Schwierigkeiten haben im Umgang mit ihren dominanten, eigenwilligen Kindern. Nicht selten fungiere ich in dieser Situation schliesslich als Vermittlerin zwischen Schule und Elternhaus.


Das Angebot   systemische Intervention an Ort

Erster Schritt: Überblick verschaffen – Einzelgespräche mit allen Beteiligten     
Wer ist wo für was verantwortlich? Wann und wie zeigen sich die Störungen? Werden sachliche und persönliche Ebene vermischt? - In der Krise herrscht oft ein Durcheinander von gegenseitigen Anschuldigungen, Ängsten vor der Zukunft, man fühlt sich persönlich verletzt, angegriffen. Lehrpersonen haben häufig starkes Mitleid mit dem Kind und möchten es aus dem Elternhaus retten. Die Eltern fühlen sich angeschuldigt oder mindestens von der Schule in Frage gestellt. Um einen Überblick zu erhalten, führe ich mit den einzelnen Beteiligten intensive und klar strukturierte Gespräche.

Zweiter Schritt: Runder Tisch – Konfliktdiagnose – gemeinsame Problemdefinition  
Dann organisiere ich ein Gespräch mit allen Beteiligten an einem Tisch. Die Schwierigkeiten werden sachlich und konkret thematisiert. Mögliche gegenseitige Projektionen werden von mir angesprochen und formuliert. Ein gemeinsamer Fokus, ein gemeinsames Ziel wird angestrebt. Es muss ein erster Konsens - und ist er noch so klein - gefunden werden. Das Kind braucht zu seiner Entwicklung eine minimale Kooperation zwischen der Schule und dem Elternhaus. Weitere kleine, konkrete Schritte und Unterstützungsmassnahmen werden festgelegt und ein nächster Gesprächstermin wird vereinbart. Dies schafft Verbindlichkeit.

Dritter Schritt: Konkrete Umsetzung – Evaluation – was funktioniert wo?
Telefonisch, per Mail oder im persönlichen Gespräch, je nach Bedarf, bleibe ich im Hintergrund präsent und begleite die neu vereinbarten Abmachungen, frage nach und motiviere zum Dranbleiben, wenn es zwischendurch schwierig wird. Weitere Gesprächstermine werden mit den Beteiligten vereinbart, um das Augenmerk auf Entwicklungsschritte zu richten, Abmachungen zu bestätigen oder je nachdem zu differenzieren oder zu verändern.


Die Ziele   konkrete Vorschläge für alle Beteiligten

·         Unterstützung der Lehrperson: Ein Unterrichtsbesuch an Ort. Allgemeine sachliche Infos zu Störungen im Verhalten können Distanz schaffen zum Problem. Die Lehrperson verdient allen Respekt, ist sie doch die wichtigste Bezugsperson des Kindes während der Zeit in der Schule und hat Unterstützung an Ort verdient.

·         Einbezug des Schulteams: Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten beschäftigen die Pausenaufsicht, die Fachlehrpersonen, evt. den Hauswart und andere. Wie gehen wir im Team damit um? Welche Grenzen setzen wir? Wie können wir uns gegenseitig entlasten und unterstützen? Was unternimmt das Team, damit es zu keiner Stigmatisierung des Kindes kommt?

·         Stärkung der Eltern: Eltern von verhaltensauffälligen Kindern brauchen Vertrauen und die Zuversicht, dass ihr Kind mit seinem Potenzial und seinen Entwicklungsmöglichkeiten wahrgenommen wird. Werden die Bemühungen und das Engagement der Eltern anerkannt, ist dies häufig der erste Schritt zur Kooperation mit der Schule.

·         Kennenlernen des Kindes: Kontakt schaffen zum Kind, dieses in seiner Eigenart akzeptieren und Persönlichkeitsstrukturen erfassen. Es ist ein zentraler Punkt, die Meinung des Kindes zu kennen, seine Bedürfnisse und seine möglichen Nöte. In diesem Punkt kommt mir meine langjährige Erfahrung als Psychomotoriktherapeutin zugute.

·         Respekt für Mitschülerinnen und Mitschüler: Je nach Situation ist es hilfreich, eine Klassen-Intervention (drei bis fünf Lektionen) zu planen. Dann arbeite ich im Schulzimmer mit der Klasse und erörtere mit den Kindern Fragen betreffend Störungen und den möglichen Umgang mit diesen: Können sich die Einzelnen schützen? Werden Grenzen innerhalb der Klasse respektiert? Es kann Kinder entlasten, diese Themen mit einer aussenstehenden Person anzugehen. Zusätzlich verfüge ich über ein Repertoire von Bewegungsspielen, die dazu dienen, dass Kinder grundsätzlich das Gefühl von Zugehörigkeit entwickeln können. Von der Klassenlehrperson wird es in der Regel sehr geschätzt, dass sie während diesen Stunden ihre Schülerinnen und Schüler quasi von aussen erleben kann, neue Inputs im Umgang mit den Kindern erhält und/oder sich gleichzeitig bestätigt weiss in ihrem eigenen Tun.

·         Verantwortung und Entlastung der Schulleitung: Die Schulleitung als eigentliche Auftraggeberin für die systemische Intervention informiere ich regelmässig über mein strategisches Vorgehen. Dieser stete, kurze Austausch ist relevant für das Gelingen. Für die Schulleitung ist es entlastend, dass sie die eigentliche Arbeit, die diversen Interventionen und die Leitung der Rundtischgespräche an mich delegieren kann. Nichtsdestotrotz ist es relevant, dass bei ausgewählten Rundtischgesprächen auch die Schulleitung präsent ist.

Vieles verläuft in jedem Fall ähnlich (Verhaltensmuster, Abläufe). Und doch ist jede Situation wieder anders. Mein Ziel bleibt dabei immer, die Stärken und Ressourcen der Beteiligten zu entdecken und zu fördern. Mit diesen kleinen Lichtblicken und möglichen Visionen sollen die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Lösung ins Auge gefasst werden.


Die Motivation  -  Wissen, Erfahrung, Nachhaltigkeit

Seit 30 Jahren engagiere ich mich für verhaltensauffällige Kinder, früher als Lehrperson, danach als Psychomotoriktherapeutin im Jugendheim Schachen, jetzt beim Schulpsychologischen Dienst in Sarnen. Ich bringe Wissen und Erfahrung mit, wenn Eltern, Lehrpersonen und Kinder emotional an ihre Grenzen kommen, wenn Aggression ein Ventil wird für die je eigene Überforderung. Diese Thematik ist mir vertraut und ich will mich weiterhin auf diesem Feld engagieren.

Wichtig für meine Motivation ist auch der Aspekt der Nachhaltigkeit. Dieses Thema beschäftigt mich nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Lehrerfortbildung. Seit 16 Jahren leite ich dort Kurse zu den Themen „Wahrnehmungsstörungen“, „Psychomotorische Ansätze bei verhaltensauffälligen Kindern“, „Bewegung als Weg zum AD(H)S-Kind“. Die Lehrpersonen müssen sich im Alltag immer wieder mit diesen Themen auseinandersetzen. Doch oft sind dann die theoretischen Inputs nicht mehr einfach so abrufbar. Deshalb bin ich in Krisensituationen gerne am Ort präsent, um die Lehrpersonen im Umgang mit den komplexen Schwierigkeiten zu unterstützen und zu stärken.


Die Details – Zeitlicher Rahmen, Kosten, Verhandlungsbasis

Zeitaufwand: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass diese Intervention (Gespräche mit den einzelnen Betroffenen, Rundtischgespräche, evt. Klassenintervention, einzelne zusätzliche Treffen mit der Hauptlehrperson oder Fachlehrpersonen) zwischen 15 und 35 Stunden dauern können.

Kosten: Fr. 150.- pro Stunde, Vor- und Nachbereitung inklusive, Spesen separat.

Kontakt: Theresia Buchmann, Museggstrasse 32, 6004 Luzern;
brander-buchmann@bluewin.ch,  P 041 310 68 63,  G 041 666 63 50, M 079 775 69 08.